Horst Guthmann berichtet in ortshistorischer Reihe über die Landwirtschaft von früher

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Wie stets bei derlei Abenden war auch dieser, bei dem zuletzt eine leckere Gemüsesuppe mit Brot serviert wurde, nicht nur informativ, sondern dank der eifrigen Kommentierungen auch unterhaltsam. Der Vorsitzende des Brauchtumsvereins „Für Bauschheim e.V.“, Wolfgang Jung, sorgte mit Laptop und Leinwand für den raschen Wechsel der Bilder, während Horst Guthmann und seine Gäste viele der abgebildeten Personen und Bauernhöfe wieder erkannten. Einige sogar als Nachbarn oder ihre Familienmitglieder. Familie Jung etwa war komplett bei der Heuernte auf einem Bild aus den sechziger Jahren zu sehen, auch „bei Kröckers“, bei Landwirt Georg Kröcker war man aktiv und sah „Liesel und Philipp“ auf dem Trecker oder ein andermal „die Lies und de Peter hoch zu Ross“ in Feld und Hof reiten.

Heute dominiert in Bauschheim die Gattung Pferd, die Kuhgespanne, die früher üblich waren, wie etwa der „Puhlwagen“ mit dem Jauchefass, sind Vergangenheit. Auch die Väter in Wehrmachtsuniform, die man in den vierziger Jahren auf Heimaturlaub sieht, ließen sich am liebsten mit dem Nachwuchs auf dem Pferderücken fotografieren. Manchem Bauernhof waren auch Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter als Erntehelfer amtlich zugeteilt und oft entwickelten sich daraus persönliche Freundschaften.
Später, in den sechziger und siebziger Jahren verdienten die Männer dann bei Opel gutes Geld. Die Landwirtschaft wurde, auch als aus Ackerland zunehmend Bauland wurde, nur noch als Nebenerwerb betrieben, mit allen Kräften, die zur Verfügung standen. Deshalb entdeckte sich die anwesende Irmtraud Sipp, die jahrzehntelang mit der Familie die gleichnamige Bäckerei (heute „Bäckerladen“) betrieb, auf einem Foto von 1961, auf dem sie als attraktive junge Frau im Badeanzug bei der Heuernte zu sehen ist. Fotos vom (noch selbstständigen) Bauschheim belegen, dass die heutige Brunnenstraße damals noch ohne Kanal und festen Belag gewesen ist: Regenwasser lief in einer Rinne rechts und links der Fahrbahn ab.

„Die Bauschheimer waren schon immer erfinderisch“, meinte Horst Guthmann bei Bildern, auf denen „de Presse Michel“ auf einer umgebauten Maschine beim Kartoffelsetzen oder ein Erntewagen mit angefügter Kartoffelrutsche zu sehen waren. War die Ernte vorüber, wurden Feste gefeiert. Bei einem Bauernfest in Dornheim etwa zogen einstmals zwei Bauschheimer Festwagen mit dem nachgebauten Dorfbrunnen und eine Wasserwerk-Miniatur mit. Es waren noch jene Zeiten, in denen die „Milchküwwel“ vor den Toren standen, aus denen allmorgendlich die Molkerei die Milch in ihre silbernen Tankwagen absaugen ließ.
Ein Luftbild zeigt allerdings, dass die Äcker aufgrund der Erbschaftsregelung mit der Zeit immer kleiner wurden. Dann kam die Flurbereinigung. Und Darmstädter Beamte in Anzug, Mantel und Hut stapften mit den örtlichen Honoratioren, etwa dem damaligen Bürgermeister Fritz Schaub, durch die Feldgemarkung und legten neue Grenzlinien fest. Dass es früher in Bauschheim auch Weinanbau gab, wird durch Flurnamen wie etwa „Weinfass“ dokumentiert. Etwa um 1900 wurde mit dem Spargelanbau begonnen, und welch große Mengen des Edelgemüses oder anderer Gemüsesorten man damals auf den Wochenmärkten in Rüsselsheim und Mainz verkaufte, zeigen die meterhohen Stapel hölzernere Gemüsesteigen, die heute schon längst nicht mehr in dieser Menge erforderlich sind.
Bei alten Bildern wird die Vergangenheit wieder erlebbar. Das zeigen Fotos vom heutigen Rüsselsheimer Stadtverordnetenvorsteher Heinz Schneider, der ein waschechter Bauschheimer ist. Auf einem Foto war er noch als kleiner Bub, auf einem zweiten schon als junger Mann mit Schnauzbart vor der Ginsheimer Mühle neben Freunden und abgeladenen Kornsäcken zu sehen. Um den Bestand ihres Fotoarchivs zu erhöhen, appellierten Wolfgang Jung und Horst Guthmann am Ende des Abends an die Bauschheimer Bevölkerung, weitere Fotos kurzzeitig zur Verfügung zu stellen. Sie gehen anschließend garantiert unversehrt an die Besitzer zurück.